The Middle as Practice and Constellation
Abstract (English abstract to follow): Die kumulative Habilitation beschäftigt sich mit Handlungs- und Normorientierungen am Mittelmaß als Praxis in unterschiedlichen Feldern aus empirisch-kulturwissenschaftlicher Sicht. Zum ersten sind dies Orientierungen am Mittelfeld im Freizeitsport, vor allem beim Rennradfahren; zum zweiten Modalitäten des Wohnens, bei denen Begrenzungen der Wohnungsgröße auf ein mittleres Maß zugunsten des Wohnorts plausibilisiert werden; und zum dritten der Bereich der Erwerbsarbeit und Orientierungen an einem mittleren Einkommen.
Im Zentrum steht dabei die empirische Beobachtung, dass das Mittelmaß im Alltag ein positiver Orientierungspunkt in diesen und weiteren Feldern ist: Ein Mithalten mit dem Mittelfeld, das Erzielen eines mittleren Einkommens oder die Zugehörigkeit zur Mittelklasse sind wirkmächtige Modelle für sozioökonomisches Verhalten und lebensweltliche Interpretationen. Daran schließen Fragen an, wie lebensweltliche Vorstellungen von Mitte und Mittelmaß in unterschiedlichen Praxisfeldern referenziert werden, wie üblicherweise negativ konnotierte Begriffe des Mittelmaßes eine Reinterpretation hin zu positiveren Bildern erfahren und wie situativ und individuell ausgehandelt wird, was unter einem mittleren Maß verstanden wird.
Die Habilitation versteht solche Orientierungen an Mitte und Mittelmaß als Ausdruck spezifischer räumlich-zeitlicher Konstellationen, in denen unterschiedliche Faktoren zusammentreffen und positive Bezugnahmen auf ein Mittelmaß begünstigen. Die vorliegende Synopse stellt einige dieser Elemente vor und untersucht mit den Werkzeugen einer ethnographischen Kulturanalyse, inwiefern Mittelmaß als Praxis verstanden werden kann und im Alltag spezifischer Akteure greifbar wird. Dafür werden Dimensionen des Mittelmaßes am Beispiel von empirischen Forschungen in Deutschland in den Feldern des Freizeitsports, des Wohnens und des Arbeitens diskutiert. Insbesondere behandelt werden die Aspekte (1) Relationierung und Vergleich, (2) Mittelmaß als Optimierung, (3) Ermöglichung und Begrenzung und (4) Rechtfertigung und Angemessenheit.
Die Habilitation schlägt vor dem Hintergrund der empirischen Forschungen in drei Feldern den Ansatz einer empirischen Konstellationsanalyse vor, um Orientierungen am Mittelmaß, aber auch anders gelagerte Phänomene empirisch-kulturwissenschaftlich greifbar zu machen.
Project Publications
- Groth, Stefan. 2019. „Zwischen Ermöglichung und Begrenzung: Zur subjektiven Plausibilisierung des Mittelmaßes als normative Orientierung“. In Wirtschaften. Kulturwissenschaftliche Perspektiven, herausgegeben von Karl Braun, Johannes Moser, und Christian Schönholz, 479–87. Marburg: MakuFEE.
- Groth, Stefan. 2019. „Trends als Forschungsthema? Einordnung, Relevanz und Repräsentativität in der europäisch-ethnologischen Themenbegrenzung“. In Wie kann man nur dazu forschen? – Themenpolitik in der Europäischen Ethnologie, herausgegeben von Timo Heimerdinger und Marion Näser-Lather, 149–70. Buchreihe der Österreichischen Zeitschrift für Volkskunde. Wien: Verein für Volkskunde.
- Groth, Stefan. 2019. „Wettbewerb ums Mittelmaß? Kompetitive Orientierungen im breitensportlichen Rennradfahren“. In Auf den Spuren der Konkurrenz. Kultur‐ und sozialwissenschaftliche Perspektiven, herausgegeben von Karin Bürkert, Alexander Engel, Timo Heimerdinger, Markus Tauschek, und Tobias Werron, 2:199–219. Freiburger Studien zur Kulturanthropologie. Münster: Waxmann.
- Groth, Stefan. 2019. „Of Good Averages and Happy Mediums: Orientations towards an Average in Urban Housing“. In The Vulnerable Middle Class? Strategies of Housing in Prospering Cities, herausgegeben von Johannes Moser und Simone Egger, 29:29–48. Münchner ethnographische Schriften. München: utzverlag.
- Groth, Stefan. 2019. „Vergleiche als antizipierende und relationale Praxis“. Zeitschrift für Volkskunde 115 (2): 238–59. Peer Reviewed.
- Groth, Stefan. 2020. „‚Work-Life-Balance‘, Entgrenzung und Orientierungen an der Mitte“. In Vernetzt, entgrenzt, prekär? Kulturwissenschaftliche Perspektiven auf Arbeit im Wandel, herausgegeben von Stefan Groth, Sarah May, und Johannes Müske, 17:205–25. Arbeit und Alltag: Beiträge zur ethnografischen Arbeitskulturenforschung. Campus.
- Groth, Stefan. 2019. „Optimierung bis zur Mitte. Selbstoptimierung als Konstellation und relationale Subjektivierung“. Österreichische Zeitschrift für Volkskunde 122 (1): 27–54. Peer Reviewed.
- Groth, Stefan. 2019. „Comparisons as Anticipatory and Relational Practice“. Journal for European Ethnology and Cultural Analysis (JEECA) 4 (2): 188–208. Peer Reviewed. Englische Version von ‚Vergleiche als antizipierende und relationale Praxis‘ (2019).
- Groth, Stefan. 2014. „Quantified Cyclists and Stratified Motives: Explorations into Age-Group Road Cycling as Cultural Performance“. Ethnologia Europaea 44 (1): 38–56. doi:10.16995/ee.1120. Peer reviewed.
- Groth, Stefan. 2017. „Subjektiver Sinn, objektive Indikatoren? Zum Verhältnis von Wahrnehmung und Vermessung im freizeitsportlichen Rennradsport“. In Kulturen der Sinne. Zugänge zur Sensualität der sozialen Welt, herausgegeben von Karl Braun, Claus-Marco Dieterich, Thomas Hengartner, und Bernhard Tschofen, 481–91. Würzburg: Königshausen und Neumann.
- Groth, Stefan, und Yonca Krahn. 2017. „Sensing Athletes: Sensory Dimensions of Recreational Endurance Sports“. Journal of Ethnology and Folkloristics 11 (2): 3–23. doi:10.1515/jef-2017-0011. Peer reviewed.